Warum ich in meinen Trainings Achtsamkeit und die dialektische Haltung rauf und runter predige

Keiner kann dir letztendlich immer genau sagen, was dir hilft. Mal hilft das eine, mal das andere. Denn du bist keine Maschine, und wir sind alle so unterschiedlich – in unseren biografischen Erfahrungen, Ressourcen und Lebensbedingungen. Es gibt eine Reihe an Skills, die das Nervensystem beruhigen können und helfen, Herausforderungen aktiv zu managen oder Unangenehmes auszuhalten. Das stimmt. Doch was dir genau wann hilft, das lernst du nur durch Erfahrung und Achtsamkeit.

Achtsamkeit ermöglicht dir, fein zu spüren, was gerade in dir abläuft, wahrzunehmen, wie die Umstände sind und wirkungsvoll zu handeln – immer im Kontakt mit dem, was Jetzt ist. Denn einmal hilft es dir, dich zu pushen und in die Veränderung zu gehen, ein anderes Mal ist es genau das Abwarten und Akzeptieren, dass es gerade nicht geht. Mal brauchst du einen liebevollen Arschtritt von dir, um konsequent umzusetzen, Zielorientierung und Mut. Mal ein sanftes Umsorgen und Aushalten des Unveränderlichen, denn nicht immer können wir, nicht immer haben wir die Kraft.

Auch mir fehlt manchmal die Kraft, alles fühlt sich blockiert und schwer an. Auch altbekannte Zustände und Glaubenssätze packen mich manchmal und wirken dann in mir: Zweifel, Ohnmacht, Schuld, Angst, Einsamkeit. Doch was mich beruhigt, ist, dass ich die Gespenster kenne, sie erschrecken mich nicht mehr und ich halte sie nicht mehr für wahr. Auch wenn ich sie fühle.

Und ich habe eine Reihe an veränderungs- und akzeptanzorientierten Skills und das Vertrauen, dass ich mich begleiten kann. Ich werde immer feiner im Spüren, was mir jetzt gerade hilft.

Die dialektische Haltung lehrt uns, nicht in ein “Richtig-oder-falsch-Denken” zu rutschen, zu glauben, es gäbe nur einen richtigen Weg. Sie lädt uns ein, immer wieder nach einem lebendigen Gleichgewicht zwischen Gegensätzen und verschiedenen Polen zu suchen. Ambivalenzen in uns selbst oder im Kontakt mit unseren Mitmenschen wahrzunehmen und erst einmal auszuhalten, dass da Reibung und Spannung im Innen und Außen ist. Kann ein Mittelweg gefunden werden, ein Sowohl-als-Auch gebildet werden? Wie können wir uns mit unserer jeweils eigenen Bedürfnissen und Meinungen aufeinander zubewegen und aneinander wachsen?

Dialektische Dilemmata im Alltag: Wie wir mit Ambivalenzen umgehen können

In unserem Alltag begegnen wir oft Situationen, in denen wir zwischen unterschiedlichen Standpunkten hin- und hergerissen sind. Diese Momente der Unsicherheit, in denen wir nicht wissen, was richtig oder falsch ist, werden als dialektische Dilemmata bezeichnet. Ein dialektisches Dilemma entsteht, wenn gegensätzliche Bedürfnisse oder Meinungen aufeinanderprallen und wir das Gefühl haben, eine Entscheidung zwischen Extremen treffen zu müssen. Manchmal spielt sich das in uns selbst ab oder zwischen uns und anderen. 

Menschen, die im Alltag eh sehr angespannt sind, halten dann diese Unsicherheit und Spannung, verursacht durch das Dilemma kaum aus und schlagen sich meist auf eine Seite. Passen sich an oder trennen sich, unterdrücken ein Bedürfnis komplett oder verletzen sich gar selbst, um sich nicht mehr damit auseinandersetzen müssen und zu berhigen. Kennst du das?

Diese einseitigen Lösungen werden den komplexen Situationen aber nicht gerecht und führen dann wieder auf lange Sicht zu Spannungen. 

Ein konkretes Beispiel für ein dialektisches Dilemma

Stellen wir uns vor, ein Freund vergisst, uns an unserem Geburtstag zu gratulieren, obwohl wir fest damit gerechnet hatten.

Eine Sichtweise: „Ich hasse ihn und werde nie wieder mit ihm reden.“

Eine andere Sichtweise: „Einem Freund kann ich nichts übel nehmen, sodass seine Unzuverlässigkeit OK ist.“

Ein dialektischer Umgang mit diesem Dilemma könnte darin bestehen, beide Sichtweisen gleichzeitig zu akzeptieren und zu integrieren: „Ich bin enttäuscht und verletzt, dass mein Freund meinen Geburtstag vergessen hat. Gleichzeitig weiß ich, dass Menschen Fehler machen können, und unsere Freundschaft bedeutet mir viel. Ich möchte ihm sagen, wie ich mich fühle, und gleichzeitig offen dafür sein, seine Gründe zu hören.“

Wie kann ich mit Ambivalenz umgehen?

Der Umgang mit dialektischen Dilemmata erfordert Achtsamkeit und die Bereitschaft, unterschiedliche Perspektiven zu akzeptieren. Hier sind einige Strategien, die helfen können:

  1. Dialektische Dilemmata achtsam wahrnehmen: Erkenne die Momente, in denen du ambivalent bist, und widme dich den gegensätzlichen Standpunkte.
  2. Unterschiedliche Meinungen sind legitim und willkommen: Akzeptiere, dass es mehrere Sichtweisen gibt, die alle ihre Berechtigung haben.
  3. Sowohl-als-auch-Denken: Versuche, Synthesen zu finden, die beide Standpunkte integrieren.
  4. Kompromisse entwickeln: Suche nach Lösungen, die einen Mittelweg darstellen und beiden Seiten gerecht werden.
  5. Den goldenen Mittelweg finden: Versuche, Extreme zu vermeiden und eine Balance zu finden.
  6. Sich Zeit lassen: Nimm dir die Zeit, um verschiedene Möglichkeiten auszuprobieren und unangenehme Gefühle auszuhalten.

Was springt für dich dabei heraus?

Das Üben, Ambivalenzen auszuhalten und eine dialektische Haltung einzunehmen, kann zahlreiche Vorteile mit sich bringen – sowohl für uns selbst als auch für unsere Beziehungen. 

Für uns selbst:

  1. Reduktion von Stress und Angst: Indem wir lernen, Ambivalenzen auszuhalten, reduzieren wir den inneren Druck, sofort eine Lösung finden zu müssen. Dies verringert Stress und Angst, die oft aus der Unsicherheit resultieren.
  2. Erhöhte emotionale Resilienz: Das Erforschen widersprüchlicher Gefühle und die Bereitschaft, sie erstmal dasein zu lassen, stärkt unsere Fähigkeit, schwierige Emotionen zu bewältigen. Wir lernen, dass es in Ordnung ist, gleichzeitig mehrere Gefühle zu haben, und dass diese Koexistenz uns nicht überfordert.
  3. Förderung der Selbstakzeptanz: Eine dialektische Haltung ermutigt uns, verschiedene Teile unseres Selbst anzunehmen. Wir erkennen, dass wir komplex und vielschichtig sind und dass Widersprüche Teil unserer menschlichen Natur sind.
  4. Bessere Entscheidungsfindung: Durch das Einbeziehen unterschiedlicher Perspektiven und das Finden von Synthesen treffen wir ausgewogenere Entscheidungen. Dies führt zu nachhaltigeren und durchdachteren Ergebnissen.
  5. Erhöhung der Kreativität: Das Denken in “Sowohl-als-auch”-Kategorien fördert kreatives und flexibles Denken. Wir sehen mehr Möglichkeiten und können innovative Lösungen für Probleme finden.

Für unsere Beziehungen:

  1. Verbesserte Kommunikation: Wenn wir lernen, Ambivalenzen auszuhalten und unterschiedliche Standpunkte zu akzeptieren, verbessern sich unsere Kommunikationsfähigkeiten. Wir hören achtsamer zu und sind offener für die Sichtweisen anderer.
  2. Stärkere Beziehungen: Das Verständnis und die Akzeptanz von Ambivalenzen in unseren Beziehungen fördern Vertrauen und Intimität. Wir schaffen einen Raum, in dem sich alle Beteiligten gesehen und verstanden fühlen.
  3. Konfliktlösung: Durch eine dialektische Haltung können wir Konflikte konstruktiver lösen. Anstatt auf einem Standpunkt zu beharren, suchen wir nach gemeinsamen Lösungen, die die Bedürfnisse aller Beteiligten berücksichtigen. Oder lernen die Unterschiedlichkeit zu akzeptieren. 
  4. Erhöhte Empathie: Das Akzeptieren und Integrieren unterschiedlicher Sichtweisen stärkt unsere Fähigkeit zur Empathie. Wir entwickeln ein tieferes Verständnis für die Erfahrungen und Gefühle unserer Mitmenschen.
  5. Förderung der Teamarbeit: In beruflichen und sozialen Kontexten verbessert eine dialektische Haltung die Zusammenarbeit. Teams, die Ambivalenzen aushalten und kreative Lösungen finden können, sind oft effektiver und harmonischer

In meinen Trainings lernst du deine Bedürfnisse wahrzunehmen, Spannungen auszuhalten und zu erforschen und mit anderen zu kommunizieren. Indem wir lernen, unterschiedliche Standpunkte zu integrieren und Kompromisse zu finden, können wir nicht nur unsere eigenen Bedürfnisse besser erfüllen, sondern auch unsere Beziehungen zu anderen Menschen stärken und gemeinsam wachsen.