Einige Teilnehmer*innen meiner Trainings leiden darunter, dass sie dissoziieren, wenn es emotional zu intensiv wird. Sie fühlen sich oft fern von sich, spüren ihren Körper nicht richtig, können Gedanken und Gefühle nicht greifen oder sind total handlungsunfähig, wie erstarrt. Oft können sie sich nicht erinnern, was sie erfahren haben, was gesprochen wurde oder ihre Erkenntnisse waren. Das ist natürlich besonders in der Therapie und in den Trainings hinderlich.
Dissoziationen können von alltäglichen Momenten bis zu schwer ausgeprägten Zuständen reichen, in denen sich Menschen in verschiedene Identitäten spalten. Auf letzteres werde ich in diesem Artikel nicht eingehen. Falls du dich hierfür interessierst, wirst du bei Michaela Huber fündig.
Vermutlich stellst du dir die Frage, wie entstehen Dissoziationen, und vor allem, wie können wir lernen, mit ihnen umzugehen?
Was sind Dissoziationen?
Dissoziationen sind Schutzmechanismen als Reaktion auf traumatische, überwältigende Erlebnisse, in denen wir nicht fliehen können. Wir fliehen dann sozusagen tief in unser Inneres.
Um das Phänomen der Dissoziationen zu verstehen, müssen wir uns zunächst vor Augen führen, wie wir die Welt um uns herum erleben. Unsere Sinne, Interpretationen und Gedanken formen gemeinsam unser Gesamtbild der Realität. Bei traumatischen Erfahrungen werden diese Eindrücke regelrecht zersplittert. Dieser Schutzmechanismus kann bei einem Schocktrauma aktiviert werden, um Überforderung zu verhindern und uns vor dem Schmerz zu schützen.
Wenn wir als Kinder viel Stress erfahren oder durch belastende Situationen gehen, können sich auch Dissoziationen entwickeln (Entwicklungstrauma). Der Schmerz wird in Form von Spannungen, Überzeugungen über uns selbst und anderen Mechanismen verdrängt. So entfernen wir uns schrittweise von uns selbst, wobei Gefühle, Spannungen und Erinnerungen im Körper, den Muskeln, den Faszien und dem Gedächtnis gespeichert werden und damit weiterhin zugänglich und verarbeitbar sind.
Wie äußern sich Dissoziationen?
Dies kann sich in Form von Depersonalisation (das Gefühl, sich selbst von außen zu betrachten), Derealisation (die Wahrnehmung der Welt durch einen Schleier), der Unmöglichkeit Gedanken zu greifen, Gefühlstaubheit oder körperlicher taubheit oder Erstarrung bemerkbar machen. Viele beschreiben es, wie hinter einer Glasscheibe zu sitzen oder in Nebel oder Watte gepackt zu sein.
Die psychischen Symptome sind also vielfältig und können das Bewusstsein, die Identität, die Erinnerung, die Gedanken und die Gefühle oder den Körper betreffen. Sie treten oft in Verbindung mit psychischen Erkrankungen auf und können durch Stress, Schlafmangel oder starke Emotionen ausgelöst werden.
Was ist hilfreich bei Dissoziationen?
Das Erkennen von Frühwarnzeichen, das Einsetzen von Skills, die dich in den Körper und das Hier und Jetzt zurückholen und die Bearbeitung traumatischer Erlebnisse sind wichtige Schritte zur Bewältigung.
In meinen Trainings lernst du wesentliche Tools, die du brauchst, um einen Umgang mit Dissoziationen zu finden.
Hier schonmal einige Tipps für dich:
Achtsamkeit: Lerne, die Anzeichen von Dissoziationen frühzeitig zu erkennen, um regulierend auf dich einzuwirken. Achtsamkeitsübungen helfen dir, deine Wahrnehmung zu schärfen und die hinter der Dissoziation liegenden Gedanken und Gefühle zu erkennen. Was macht mir gerade so Angst? Achtsamkeit ermöglicht dir Zustände in deiner Innenwelt zu beobachten, ohne völlig davon eingenommen zu werden. Du entwickelst eine “gesunde” Distanz dazu.
Funktion der Dissoziationen verstehen: Es ist wichtig, den Zusammenhang zwischen Trauma und Dissoziation als Schutzmechanismus zu erkennen.
Eine Entscheidung treffen: Triff die Entscheidung, da zu bleiben, herausfordernde Momente aktiv und präsent zu gestalten, um immer sicherer zu werden. Ich weiß, anfangs kommt es einem wie ein Automatismus vor, den man nicht steuern kann. Man weiß aber mittlerweile und das ist auch meine eigene Erfahrung, dass man lernen kann, präsent zu bleiben oder sie zumindest abzumildern.
Umgang mit Auslösern: Versuche Auslöser zu identifizieren und evtl. vorerst zu meiden, um eine sichere Beziehung zum Therapeuten oder Coach aufzubauen. Später steht an, dich mit diesen Situationen schrittweise zu konfrontieren und Gefühle aushalten zu lernen. Ersetze dissoziationsfördernde Gedanken durch hilfreiche Gedanken („Es ist zwar extrem anstrengend, aber ich werde das schaffen!“ anstatt „Ich kann das nicht aushalten!“)
Kompetenzen aufbauen: Übe zwischenmenschliche Fertigkeiten, z.B. Nein sagen und Grenzen zu setzen. Skills zum Umgang mit Gefühlen können dich unterstützen, mit den hinter der Dissoziation verborgenen Zuständen zu arbeiten. Lerne deine Bedürfnisse wahrzunehmen und hilfreiche Strategien einzusetzen, um sie dir zu erfüllen.
Fakten überprüfen: Was ist heute anders als damals? Bezogen auf die eigene Person, deine Fähigkeiten als Erwachsene, andere Personen, Wahrnehmungen, Situation bezogen.
Selbsthilfemaßnahmen: Du kannst trainieren, dich selbst aus der Dissoziation herauszuholen oder sie zu verhindern. Am besten hilft meiner Meinung nach Bewegung: Wackelbrett, Trampeln, Treppen laufen, Jonglieren, Gleichgewichtsübungen, auf einem Bein stehen, Augen geöffnet lassen, Blickkontakt halten, Augen rollen, auf einem Ball sitzen. Es gibt viele weitere Möglichkeiten der Regulation. Probiere sie aus, um die für dich die wirkungsvollsten zu finden: Ammoniak/Ammola, Duftöle, Chilischote, Ingwer, Wasabi, Zitrone, scharfe Kaugummis/Bonbons, laute Musik, Klatschen, Schlüssel klappern oder fallen lassen, Eispack, Schmerzpunkte drücken (findest du auf Youtube Videos dazu;)), Igelball, Steinchen im Schuh.
Dissoziationen können das Leben tiefgreifend beeinflussen, aber mit den bestimmten Techniken und Herangehensweisen ist es möglich, Wege zu finden, um ihnen zu begegnen und die Verbindung zu sich selbst wiederherzustellen.
Um die Basics wie Achtsamkeit, Frühwarnzeichen und Skills zum Abschwächen oder Verhindern von Dissoziationen kennenzulernen und zu üben, empfehle ich dir meinen Kurs “Mein neuer Weg-Achtsamkeit und Stresstoleranz”. Wenn du ein tiefes Verständnis für die Entstehung dieser und vieler weiterer deiner Bewältigungsstrategien entwickeln möchtest, melde dich für den Kurs “Selbstmitgefühl stärken” an.